Die Geschichte des Institutes für Neuropathologie

Das Institut für Neuropathologie am Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf, heute Teil des Neurozentrums, ist aus der Prosektur der Psychiatrischen Anstalt Friedrichsberg hervorgegangen. Friedrichsberg war eine in ihrer Art wahrscheinlich einmalige Anstalt für Ner­ven- und Geisteskranke, deren Konzeption sich an englischen Vorbildern orien­tierte und für das deutsche Anstaltswesen richtunggebend gewesen ist. 1864 wurde die Anstalt eingeweiht. Der erste Leiter von Friedrichsberg wurde Ludwig Meyer. Nach dem Weggang Ludwig Meyers wurde die Leitung der Anstalt Wilhelm Reye anvertraut. Unter seiner Ägide und durch seine aktive Förderung entstand die erste Prosektur in einer deutschen Psychiatrischen Anstalt.

Theodor Joseph Martin Kaes
Das Jahr 1899 gilt als Gründungsjahr der heutigen Eppendorfer Abteilung für Neuropathologie. Damals "trug man durch die Wahl eines Prosek­tors auch dem Wunsche Rechnung, dass das reichlich vorhandene pathologisch-anatomische Material in besserer Weise verwertet wurde, als es bis dahin möglich war" (Spitzer). Als erster Prosektor und Leiter des "Hirnanatomischen Laboratoriums" der Irrenanstalt Friedrichsberg wurde 1899 Theodor Joseph Martin Kaes ernannt. Schon vor Gründung der Prosektur hatte sich Kaes seit Jahren mit hirnanatomi­schen Untersuchungen befasst. Er widmete sich in seinen Studien insbesondere dem morphologischen und faseranatomischen Aufbaus der Hirnrinde, welche später in seinem Hauptwerk "Die Großhirnrinde des Menschen in ihren Maßen und ihrem Fasergehalt" (bei Gustav Fischer, Jena 1907) zusammengefasst wurden.

Alfons Maria Jakob
Nachfolger von Kaes wurde Alfons Maria Jakob. Seine Arbeit wurde von Wilhelm Karl Jakob Christian Weygandt, der die Friedrichsberger Anstalt ab 1908 leitete, wesentlich unterstützt. Es begann eine neue - wissenschaftliche - Epoche Friedrichsbergs. Weygandt verschaffte Prosektur und Laboratorium die notwendigen Räume und die erforderliche Ergänzung ihrer technischen Ausrüstung. Er sorgte sich um Stellen für Mitarbeiter und trug eine umfangreiche Sammlung hirnanatomisch interessanter Objekte zusammen. Nach der Friedrichsberger Prosektur entstanden ähnliche Einrichtungen z.B. in Uchtspringe/Sachsen, in Betburg-Hau (an der hol­ländischen Grenze) und in Bethel bei Bielefeld (1910) sowie im Ausland in den USA (New York und Baltimore) bzw. in England (London, Cardiff und Edinbourgh).

Bis 1930 hatten etwa 65 Ärzte des In- und Auslandes bei Jakob hospitiert, darunter Gäste aus Nord- und Südamerika, ganz Europa, aus der Türkei und selbst der äußeren Mongolei. Die Frucht vereinter Anstrengungen waren etwa 150 Arbeiten neben zahlreichen Vorträgen. Seit 1921 erschienen von Jakob Arbeiten zur spastischen Pseudosklerose (Jakob-Creutzfeldt Krankheit), die von ihm entdeckt und als eigenständige Erkrankung des Nervensystems beschrieben wurde.

Hermann Josephy, direkter Nachfolger von Jakob, war klinischer Oberarzt in Fried­richsberg und sein Schüler sowie Mitarbeiter seit 1920. Seine Hauptarbeits­gebiete waren die Neuropathologie der Psychosen, Missbildungen und frühkindli­che Zerstörungssprozesse (Neuropathologie des Schwachsinns) und die Tuberöse Sklerose. 1936 emigrierte Josephy in die USA. Auch Weygandt musste 1934 die Leitung Friedrichs­bergs und sein Ordinariat niederlegen, weil er als ehemaliges Mitglied einer Freimaurerloge kein hohes Amt bekleiden durfte. Nach 1933 blieben ausländische Gäste ganz aus.

Zeitweise leitete dann Erich Brack die Prosektur von Friedrichsberg. An der Friedrichsberger Prosektur wirkte er von 1934 - 1936. An die Stelle von Weygandt war seit 1936 zunächst als kommissarischer Leiter, dann 1939 auf den Lehrstuhl berufen, Hans Bürger-Prinz getreten. 1941 erfolgte der Umzug der Psychiatrie nach Eppendorf und damit auch des Hirnanatomischen Laboratoriums.

Zum neuen Leiter des Hirnanatomischen Laboratoriums wurde Hans Jacob ernannt. Seit 1933 beschäftigte er sich mit neuropathologischen Fragestellungen. 1934 weilte er für ein Jahr als Rockefeller-Stipendiat bei Spielmeyer in München. Als sich die Stiftung wegen der veränderten politischen Verhältnisse aus Deutschland zurückzog, verlor er sein Stipendium und arbeitete zwischen 1935 und 1937 an verschiedenen Anstalten in Sachsen. 1957 übernahm er die Leitung der Neurologischen Abteilung im AK Altona, betreute aber das Laboratorium in Eppendorf ehrenamtlich noch 2 Jahre weiter.

Hans Jacob stand im egem Kontakt mit den Tätern der NS-Krankenmorde. Er sezierte die Gehirne von 40 Opfern der sogenannten "Kinder-Euthanesie" und publizierte die Ergebnisse seiner Forschung noch lange nach Kriegsende.

1959 übernahm Hans Joachim Colmant, Schüler von Gerd Peters in Bonn, die Abteilung. 1967 wurde er auf den neugegründeten Lehrstuhl für Neuropathologie in Hamburg berufen, den er bis zu seiner Emeritierung 1987 innehatte. Schwerpunkte seiner Forschung waren u.a. die morphologischen Veränderungen bei der Wernicke-Enzephalopathie und hereditäre cerebrovaskuläre Erkrankungen.

Das Krankengut der Psychiatrischen Universitätsklinik unterschied sich wesentlich von dem der Friedrichsberger Anstalt und umfaßte überwiegend Patienten mit psychischen Erkrankungen im engeren Sinne, wie Schizophrene, Zyklothyme und Neurotiker. Da einerseits ein morphologisches Substrat für diese Störungen bis heute nicht bekannt ist und andererseits die Sektionen zentral im Institut für Pathologie durchgeführt wurden, lockerten sich die Bande zur Psychiatrie und der Kontakt zur Pathologie wurde enger, bis die Neuropathologie 1987 auch formal eine Abteilung des Institutes für Pathologie wurde. Parallel hierzu wandelte sich das Aufgabengebiet der Abteilung von dem eines Forschungsinstitutes zu dem einer in der Krankenversorgung eingebundenen Einrichtung. Dies betraf insbesondere die bioptische Diagnostik, die bis dahin in der Neurochirurgischen Klinik und dem Institut für Pathologie durchgeführt wurde.

Mit der Berufung von Dimitrios Stavrou zum Direktor der Abteilung und Ordinarius für Neuropathologie im Jahre 1988 ging die bioptische Diagnostik offiziell an die Neuropathologie; eine der unabdingbaren Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Weiterbildung zum Facharzt für Neuropathologie. Forschungsschwerpunkte von D. Stavrou waren die Neuroonkologie und die zentralnervösen Veränderungen bei HIV-Infektion. Im Mittelpunkt der onkologischen Studien stand die Untersuchung gliom-assoziierter Antigene mittels monoklonaler Antikörper und ihrer möglichen Eignung für die Entwicklung effizienter immundiagnostischer und immuntherapeutischer Verfahren.
Durch die Neustrukturierung des Universitätsklinikums erhielt die Neuropathologie 2003 Institutsstatus. Aufgrund der fachlichen Verbundenheit von Neurologie, Neurochirurgie und Neuropathologie schlossen sich diese drei Institutionen zum Neurozentrum des UKE zusammen.

Mit der Berufung von Markus Glatzel zum Direktor des Instituts wurde das Institut für Neuropathologie dem Diagnostikzentrum zugeordnet. Die Forschungsschwerpunkte bestehen nun in der Erforschung neurodegenerativer Erkrankungen, insbesondere der familiären Enzephalopathie mit Neuroserpin Einschlüssen sowie der Alzheimerschen Erkrankung und der Prionenerkrankungen. Im Bereich der Neuroonkologie werden darüber hinaus Ursprung, Entwicklung, Metastasierung und Behandlung pädiatrischer Hirntumoren sowie die Neuropathologie der Neurofibromatose untersucht.