Interview mit Parichehr Shamsrizi, Ärztin in der I. Medizinischen Klinik

„Viele Menschen sind verunsichert“

Parichehr Shamsrizi (28) ist Ärztin in der I. Medizinischen Klinik und hat in den vergangenen Wochen Hunderte Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf eine Coronavirus-Infektion untersucht.

Was passiert genau in der Ambulanz für akute Atemwegsinfekte?

In der Ambulanz sind wir zuständig für das Durchführen der Abstriche bei Patienten mit Symptomen, die bestimmten Kriterien entsprechen. Diese Kriterien ergeben sich aus den Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes und den Anweisungen unserer Task Force und werden stets an die aktuelle Lage angepasst. In der Regel sind je eine Ärztin oder ein Arzt aus unserem Team der Infektiologie und eine Kollegin oder Kollege aus der Pädiatrie, also der Kinder- und Jugendmedizin, vor Ort. Zusätzlich besteht das Team aus Pflegerinnen und Pflegern, die den Ablauf optimal regeln.

Seit wann sind Sie vor Ort und wie hat sich das Geschehen entwickelt?

Die Situation ist dynamisch und damit auch die Arbeitsbelastung. Ich bin seit Anfang März in der Ambulanz tätig und während es Tage gab, an denen wir bis zu 165 potentielle Verdachtsfälle versorgt haben, gab es zuletzt auch Tage, an denen die Zahl der vorstellig gewordenen Patienten deutlich abnahm. Das liegt unter anderem daran, dass uns die aktuellen Bedingungen und Empfehlungen nicht erlauben, alle Patientinnen und Patienten zu testen.

Es ist verständlich und nachvollziehbar, dass diese Situation viele Menschen verunsichert. Wir alle haben so etwas noch nie erlebt, wir wissen nicht, wie die Lage auf der Welt und in Deutschland in ein paar Wochen aussehen wird – das ist emotional belastend. Es ist für einige Patienten daher sehr frustrierend, wenn sie die Kriterien für einen Test nicht erfüllen und ohne Abstrich auf den Heimweg geschickt werden. Unser Team bekommt diesen Frust gelegentlich zu spüren. Als Ausgleich gibt es allerdings auch positives Feedback, Menschen die sich bei uns und all unseren Kolleginnen und Kollegen im UKE für die Arbeit bedanken.

Wie gehen Sie beruflich und persönlich mit dieser Situation um? Bereitet Ihnen die Arbeit in der Ambulanz Sorgen, dass Sie sich selbst anstecken und erkranken könnten?

Ich gehöre seit Sommer 2019 zum Team der I. Medizinischen Klinik und bin in der Bernhard-Nocht-Ambulanz und auch als Prüfärztin am Bernhard Nocht Centre for Clinical Trials (BNCCT) tätig. Da ich schon recht früh meine Liebe zur Infektiologie und auch zur Tropenmedizin entdeckt habe, bietet diese außergewöhnliche Zeit die Möglichkeit, viel zu lernen und Erfahrungen zu sammeln. Ich denke, das geht uns allen so, egal welcher Berufsgruppe oder Abteilung wir angehören. Ich hoffe, dass wir die Kurve der Neuerkrankungen flachhalten können und den uns bevorstehenden Marathon gemeinsam gut überstehen.

Ich persönlich habe Respekt vor dem Virus und der Krankheit. Noch viel mehr mache ich mir allerdings Sorgen um meine Verwandten und Freunde. Ich halte mich deshalb fern. Das fällt wirklich schwer und es belastet mich, meine Eltern, meine Großmutter und auch meine Freunde nicht in die Arme schließen zu können. Aber da müssen wir alle durch. Ich würde mir wünschen, dass dies auch die Menschen einhalten, die ich auf meinem Heimweg in den schönen Abendstunden noch dicht gedrängt und ohne den notwendigen Abstand an der Alster spazieren gehen sehe. Ich bin 1.53m groß. „Einmal meine Körpergröße als Abstand zueinander“, denke ich mir dann immer. Das wäre schön.

Interview: Uwe Groenewold, Foto: BNITM (Stand: 31. März 2020)