SOMA.PRU

Einfluss Biologischer und Psychosozialer Faktoren in der Persistenz von Pruritus

Hintergrund

Chronischer Pruritus (CP) ist ein Symptom verschiedener dermatologischer, neurologischer, systemischer und psychosomatischer Erkrankungen. Mit einer Häufigkeit von ca. 20% in der Allgemeinbevölkerung stellt er eine bedeutende gesellschaftliche Belastung dar. CP entsteht wahrscheinlich aus einem komplexen Zusammenspiel zwischen Gehirn, Körper und Umwelt, aber der Übergang von akutem zu einem persistierenden Pruritus ist bislang noch nicht ausreichend verstanden. Akuter Pruritus kann durch chemische, physikalische oder mechanische Reize ausgelöst werden, wobei die Effekte zwischen Nerven und Immunsystem am besten verstanden sind und die größte klinische Bedeutung haben. In der Persistenz des Pruritus spielen sehr wahrscheinlich sowohl Pruritus-spezifische als auch unspezifische Faktoren eine Rolle, die auch zur Persistenz anderer somatischer Symptome beitragen können.

Ziele

Die Studie beabsichtigt, die psychosozialen und biologischen Faktoren (und ihr Zusammenspiel) zu identifizieren, welche zur Persistenz des Pruritus mit und ohne neuroimmunologische Ursachen beitragen. Wir erwarten, dass psychosoziale Faktoren, deren Bedeutung für die Persistenz von Schmerz und Fatigue schon gezeigt werden konnte, sich auch in der Persistenz von CP als relevant erweisen (z.B. somatosensorische Verstärkung, Krankheitsangst, Depression, Stress, Erwartungen bzgl. Symptom- und Behandlungsverlauf).

Arbeitsprogramm

Drei Patient:innenkohorten mit akuter und chronischer atopischer Dermatitis (immunologischer Hintergrund) sowie Patienten:innen mit chronischem Pruritus auf unveränderter Haut (nicht-immunologischer Hintergrund) werden einem umfassenden translationalen Untersuchungsprogramm unterzogen: Sowohl Pruritus-spezifische als auch Symptom-übergreifende psychosoziale Fragebögen der Forschungsgruppe SOMACROSS, neurologische Parameter (mittels Quantitativer Sensorischer Testung und Bestimmung der Haut-Nervenfaserdichte), die Morphologie der Hautbarriere, epidermaler Stoffwechsel und Blutspiegel von Juckreiz-auslösenden Substanzen werden interdisziplinär-kombinatorisch analysiert. Innerhalb von einem Jahr werden die Patient:innen und passend dazu eingeschlossene gesunde Proband:innen zu drei Zeitpunkten untersucht. Dadurch wird ein Gruppenvergleich zwischen akuter atopischer Dermatitis, chronischer atopischer Dermatitis, chronischem Pruritus auf nicht-veränderter Haut und gesunden Kontrollen sowie eine Langzeituntersuchung der möglichen Ergebnis-Faktoren unter leitliniengerechter Therapie ermöglicht.

Erwartete Auswirkungen

Wir erwarten sowohl Pruritus-spezifische psychosoziale und biologische Faktoren als auch generelle Mechanismen, die bei anderen persistierenden somatischen Symptomen eine Rolle spielen, zu identifizieren, welche zu der Persistenz des Pruritus beitragen. Diese Erkenntnisse könnten die Behandlung des chronischen Pruritus verbessern und Hypothesen für die Persistenz anderer somatischer Symptome generieren.

  • Überblick über Methoden und Fragebögen zur Korrelation von psychosozialen Faktoren mit strukturellen und pathophysiologischen Funktionsstörungen als Risikofaktoren für chronischen Juckreiz
    Schematisches Hautmodell: SC = Stratum corneum (Haupt-Hautbarriere); SG = Stratum granulosum, SS = Stratum spinosum; SB = Stratum basale; BM = Basalmembran; BV = Blutgefäße; CNF = kutane Nervenfasern.
    Psychosoziale prädisponierende, triggernde und erhaltende/verschlimmernde Faktoren sowie einige der primären und sekundären Endpunkte werden mit Hilfe eines umfassenden Satzes validierter und reliabler Fragebögen und Ratingskalen erfasst, die bei jeder Visite eingesetzt werden. Diese umfassen den Kernfragebogensatz der Forschungsgruppe sowie pruritusspezifische Fragebögen.
    Durch den Einsatz nicht-invasiver Multitiphotonen-Tomographie und Fluoreszenz-Lifetime-Imaging (MPT-FLIM) wird die hochauflösende morphologische Bildgebung verschiedener Hautschichten (morph) mit der metabolischen Charakterisierung einzelner Zellen (FLIM) kombiniert. Darüber hinaus wird mittels hyperspektraler Bildgebung (HSI) des Hautareals die Quantifizierung des Sauerstoffgehalts (StO2 [%]), der Hämoglobinsättigung des Gewebes (THI) und der peripheren Blutperfusion (NIR) ermöglicht.
    Die Rasterkraftmikroskopie (AFM) erlaubt die Quantifizierung individueller Korneozyten, der Interzellularspalten, der Korneodesmosomen und des Claudin-1-Gehalts im Nanometerbereich. Färbung mit PGP9.5 und anschließende Fluoreszenzmikroskopie ermöglichen die Analyse und Quantifizierung der intra-epidermalen Nervenfasern (IENFs).
    Die kutane Neuroanatomie unterscheidet sich zwischen CP-Patienten und gesunden Kontrollpersonen, aber auch zwischen verschiedenen CP-Entitäten (oben = atopische Dermatitis, unten = Prurigo nodularis).
    Mit der Kombination von MPT-FLIM, HSI, AFM und IENF werden die Analyse CP-bedingter Stoffwechselveränderungen, der Störung der Hautbarriere und der Innervation der Haut als neue objektive Parameter etabliert, die den Schweregrad der CP darstellen.