Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen
bei Kindern

Bei Verdacht auf eine auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS), auch Hörverarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung genannt, sind umfangreiche und differenzierte Untersuchungen erforderlich. Diese Diagnostik bieten wir in unserer Klinik für Kinder ab dem Alter von 6 Jahren an.

Im Rahmen eines Aufenthaltes in unserer Tagesklinik erfolgen mehrere Gespräche und Untersuchungen:

  • Vorgespräch (Anamnese)
  • HNO-ärztliche Untersuchung
  • Tests zur Überprüfung des Hörens und der auditiven Verarbeitung
  • Testpsychologische Untersuchung zur Überprüfung der auditiven Wahrnehmung, des auditiven Gedächtnisses und ggf. weiterer Fähigkeitsbereiche
  • ggf. eine logopädische Untersuchung sprachlicher Fähigkeiten
  • ausführliche Besprechungen der jeweiligen Untersuchungsergebnisse mit den Eltern und dem Kind, bei Bedarf Empfehlungen für Therapien bzw. unterstützende Maßnahmen im Alltag.

Der Tagesklinikaufenthalt dauert einschließlich Wartezeiten und Pausen ca. 4 bis 6 Stunden. Zwischen den einzelnen Untersuchungseinheiten gibt es kleinere Pausen, die an die Bedürfnisse und Belastbarkeit des Kindes angepasst werden, sowie bei spät beginnenden Terminen eine längere Mittagspause.

Ein umfassender schriftlicher Bericht an die Eltern und die von den Eltern angegebene Arztpraxis folgt.

Zur Begleitung der weiteren Entwicklung bieten wir Verlaufskontrollen an unserer Klinik an.

Fragen und Antworten

  • Der Begriff "auditive Verarbeitung und Wahrnehmung" beschreibt lt. Definition der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie die Vorgänge, mit denen akustische Signale (z.B. Geräusche, Laute, Sprache) nicht nur gehört, sondern auch korrekt erkannt und eingeordnet werden können. Mit auditiver Verarbeitung ist die neuronale Weiterleitung, Vorverarbeitung und Filterung von Höreindrücken gemeint. Die auditive Wahrnehmung umfasst die nach der Verarbeitung zunehmend bewusstere Analyse auditiver Informationen.
    Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen sind „Störungen zentraler Prozesse des Hörens, die u.a. die vorbewusste und bewusste Analyse, Differenzierung und Identifikation von Zeit- Frequenz- und Intensitätsveränderungen akustischer oder auditiv-sprachlicher Signale sowie Prozesse der binauralen Interaktion (z. B. zur Geräuschlokalisation, Lateralisation, Störgeräuschbefreiung und Summation) und der dichotischen Verarbeitung ermöglichen“ (zit. n. Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie, 2020, S1-Leitlinie Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen).

  • Bei Verdacht auf das Vorliegen einer AVWS ist eine recht umfangreiche Diagnostik erforderlich, bei der die Fähigkeiten des Kindes in den Bereichen Hören, auditive Verarbeitung, auditive Wahrnehmung und auditives Gedächtnis überprüft werden. Ergänzend erfolgt oft eine Überprüfung sprachlicher Fähigkeiten.
    Ergeben die Untersuchungen Einschränkungen im Bereich der auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung, muss zudem überprüft werden, ob mögliche andere Beeinträchtigungen oder Störungen bestehen, z.B. der Sprachentwicklung, der allgemeinen intellektuellen Fähigkeiten oder der Aufmerksamkeit. Die Diagnostik kann daher u. U. sehr umfangreich sein.
    Um alle erforderlichen Untersuchungen durchführen zu können, bieten wir Termine in unserer Tagesklinik an.

  • ärztliche Anamnese und Erhebung der HNO-Befunde

    audiologische Untersuchung:

    • des peripheren Hörvermögens (Tonaudiometrie)
    • des Sprachverstehens
    • des Sprachverstehens im Störgeräusch
    • des dichotischen Hörens
    • Tympanometrie
    • otoakustische Emissionen, Funktionsfähigkeit der äußeren Haarzellen im Innenohr
    • ggf. objektive Überprüfung der Funktionen von Hörnerv und Hirnstamm (BERA) an einem separaten Termin.
    testpsychologische und/ oder logopädische Untersuchung der Bereiche:

    • phonologische Bewusstheit
    • ggf. lautgetreues Schreiben
    • auditives Kurzzeitgedächtnis
    • Sprachverständnis und Wiedergabefähigkeit von Gehörtem
    • ggf. nicht-sprachliche, ggf. auch sprachliche, intellektuelle Fähigkeiten (z. B. logisches Denken)
    • ggf. weitere Fähigkeitsbereiche wie z. B. das visuelle Kurzzeitgedächtnis
    • ggf. Sprachentwicklung (z. B. Aussprache, Wortschatz).
    Welche Bereiche jeweils im Einzelfall überprüft werden, richtet sich nach den individuellen Auffälligkeiten des Kindes, wegen derer die Diagnostik erfolgt.
    Zum Abschluss erfolgt eine Besprechung der Ergebnisse mit den Eltern und dem Kind, eine Beratung sowie – falls erforderlich – ein Therapievorschlag. Ein umfassender schriftlicher Bericht folgt.

  • Eine Überprüfung der Hörverarbeitung und Hörwahrnehmung kann ab dem Alter von 6 Jahren erfolgen. Der häufigste Anlass, eine AVWS zu überprüfen, besteht in der Grundschulzeit bei Schwierigkeiten mit dem Erwerb des lautgetreuen Schreibens und/ oder Schwierigkeiten mit dem Verstehen von Gesprochenem im Unterricht, wo es u. U. Nebengeräusche gibt.
    Bei jüngeren Kindern unter 6 Jahren bieten wir in unserer Tagesklinik bei Verdacht auf eine auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung zunächst eine Überprüfung des Hörens und eine differenzierte logopädische Diagnostik des Sprechens und der Sprache (einschl. Aussprache, Wortschatz, Grammatik, Sprachverständnis) an. Dabei kann geklärt werden, ob und wann eine Überprüfung der auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung sinnvoll ist und in unserer Klinik durchgeführt werden kann.
    Auch bei älteren Kindern und Jugendlichen ab dem Alter von 11 Jahren kann man untersuchen, ob eine AVWS vorliegt. In diesen Fällen können in erster Linie eine pädaudiologische Überprüfung der Hörverarbeitung und eine testpsychologische Überprüfung der Hörmerkfähigkeit erfolgen. Für die Überprüfung der phonologischen Bewusstheit – einem wichtigen Teilbereich der Hörwahrnehmung – gibt es für Kinder über 11 Jahren derzeit keine standardisierten und altersnormierten Untersuchungsverfahren.

  • Wenn Eltern, Lehrer:innen, Therapeut:innen oder andere Bezugspersonen verunsichert sind, weil bei einem Kind eine oder mehrere der folgenden Schwierigkeiten zu beobachten sind:
    Das Kind…

    • … hat Schwierigkeiten, bei Umgebungsgeräuschen einer sprechenden Person zuzuhören und sie zu verstehen.
    • … hat Schwierigkeiten, gehörte Aufforderungen oder Aufträge richtig umzusetzen.
    • … kann nicht gut zuhören, sondern ist schnell abgelenkt oder wirkt uninteressiert.
    • … reagiert auf Ansprache gar nicht oder verzögert, obwohl es "eigentlich" gut hören kann.
    • … hat Probleme, Gehörtes korrekt zu erinnern oder wiederzugeben.
    • … hat Probleme mit dem Lesen und Schreiben, v.a. mit dem lautgetreuen Schreiben.

  • Bei einer auditiven Verarbeitung- und Wahrnehmungsstörung gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten und hilfreiche Maßnahmen für den Alltag. Abhängig von den in der Diagnostik festgestellten Einschränkungen und der Fragestellung wird empfohlen:

    • logopädische Therapie, z.B. zum Aufbau oder zur Festigung der Fähigkeiten der phonologischen Bewusstheit.
    • Erwerb neuer Lernstrategien, z.B. Verbesserung des auditiven Gedächtnisses durch Reduzierung detaillierter Information zugunsten lediglich grundlegender Informationen, Nachfragen stellen zur Verständnissicherung.
    • Veränderungen in der Umgebung, z.B. Veränderungen der Akustik und geeigneter Sitzplatz im Klassenraum, Reduktion von Nebengeräuschen in Gesprächssituationen.
    • Veränderungen seitens der Bezugspersonen (z.B. der Lehrkräfte) hinsichtlich ihres Umgangs mit dem Kind oder ihren Anforderungen, z.B. vor Ansprache des Kindes Blickkontakt aufnehmen, visuelle Verständnishilfen anbieten.
    • Einsatz einer drahtlosen Übertragungsanlage im Unterricht zur Optimierung des Verhältnisses von Nutz- und Störschall (Kostenübernahme muss vorab mit der Krankenkasse geregelt werden).
    • stationäre Therapie (Kostenübernahme muss vorab mit der Krankenkasse geregelt werden).
    Zur Überprüfung des Erfolgs der eingeleiteten Therapien und/ oder Maßnahmen bieten wir in unserer Klinik Verlaufskontrollen zur weiteren Begleitung der Entwicklung des Kindes an.