Beats aus Barcelona

Wer sich beim Alsterspaziergang an Barcelona erinnert fühlt, muss Hamburg wirklich liebgewonnen haben. Vor sechs Jahren kam die aus der katalanischen Metropole stammende Wissenschaftlerin Prof. Dr. Cristina Molina über Zwischenstopps in Paris, Essen und Göttingen ans UKE. Hier erforscht sie im Institut für Experimentelle Herz-Kreislauf-Forschung chronisches Vorhofflimmern auf elektrophysiologischer Ebene – seit 1. Januar 2024 mit einer von der DFG geförderten Heisenberg-Professur. Erst kürzlich entdeckten sie und ihr Team den ersten gezielten medikamentösen Therapieansatz.

Team Prof. Cristina Molina
Zusammen mit (v.l.) Viktoria Lampa, David Revuelta, Jose Delgado

Was Prof. Molina an Hamburg besonders mag? „Die vibrierende Musikszene“, antwortet sie und strahlt. „Egal ob Hip-Hop auf der Reeperbahn, Live-Jazz in Eimsbüttel oder Oper in der Elbphilharmonie, in dieser Stadt trifft man an jeder Ecke auf neue Sounds. Das finde ich toll!“ Dabei ist ein Konzert des Latino-Rap-Duos Beatnuts für die Herzforscherin ebenso Genuss wie der Opernabend „Carmen“ von Georges Bizet. Selbst einige deutsche Sounds haben es bereits auf ihre Playlist geschafft. Ihre bislang unangefochtenen deutschsprachigen Lieblingsmusiker sind die Hamburger Rapper von Fettes Brot. „Doch ich tanze am liebsten zu lateinamerikanischen Salsa-Rhythmen“, gesteht sie lachend.

Dem richtigen Rhythmus ist die Wissenschaftlerin auch beruflich auf der Spur – und zwar, wenn das Herz aus dem Takt gerät. Bereits in ihrer Doktorarbeit, die sie zwischen 2006 und 2009 in Barcelona und Paris absolviert, analysiert sie die elektrischen Signalwege menschlicher Herzmuskelzellen im Atrium (Vorhof). „Für mich ging damit ein Jugendtraum in Erfüllung“, sagt sie. Bereits zu Schulzeiten habe sie ihren Biologielehrer mit Fragen zur elektrophysiologischen Zellkommunikation gelöchert. „So lange, bis er zugab, dass die Wissenschaft noch keine Antworten auf alles habe“, schmunzelt sie. Einigen dieser Fragen geht Prof. Molina heute selbst im Rahmen eines Projekts der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) auf den Grund. Neben der DFG werden ihre Projekte von der Gertraud und Heinz Rose-Stiftung gefördert, die sie langfristig unterstützt. „Ich bin froh darüber, diese starken Partner an meiner Seite zu wissen und noch mehr, meine Ergebnisse persönlich mit ihnen zu diskutieren und jedes Jahr präsentieren zu können“, erzählt sie. Auch ihren damaligen Biologielehrer trifft sie bis heute und tauscht sich gern mit ihm aus.

An Gesprächsstoff sollte es den beiden nicht mangeln, denn die Wissenschaftlerin hat in ihrer 20-jährigen Laufbahn weit mehr als nur eine Entdeckung gemacht. Noch während ihrer Doktorarbeit gelingt es ihr, ein ganz neues Verfahren zur Konservierung humaner Herzmuskelzellen zu entwickeln und damit die Überlebensdauer von wenigen Stunden auf mehrere Tage auszudehnen. Ein wichtiger Zeitgewinn, um die Zellen umfangreich zu untersuchen sowie neue Techniken zu testen – und eine zentrale Basis auch für ihre eigenen Forschungen zum chronischen Vorhofflimmern. „Es ist lange bekannt, dass sich bei Herzrhythmusstörungen unter anderem die Ströme der Kalzium-Ionen verändern. Hierbei handelt es sich um die elektrisch geladenen Teilchen, die den Herzschlag steuern. Doch was dahinter steckte, war lange unklar,“ erläutert Prof. Molina. Bei ihrer Suche stößt sie auf das Enzym Phosphodiesterase 8B (PDE8B) und stellt fest, dass die Zellen bei Vorhofflimmern zu viel davon enthalten, was den Einstrom der taktvorgebenden Kalzium-Ionen vermindert. „Das Besondere ist“, ergänzt die Wissenschaftlerin enthusiastisch, „dass PDE8B wirklich nur in den Zellen der Herzvorhöfe vorkommt. Dies ermöglicht es uns, gezielt die erkrankten Zellen zu behandeln und nicht das gesamte Herz.“

Dass sie sich auf das Thema Vorhofflimmern spezialisiert hat, ist kein Zufall. „Ich finde es wichtig, die Forschung auch für Prävention und Lebensqualität von Patient:innen einzusetzen“, erläutert sie. Chronisches Vorhofflimmern bleibe lange unentdeckt, sei aber für verschiedene, schwerwiegende Folgeerkrankungen verantwortlich. So gehen beispielsweise rund 30 Prozent aller Schlaganfälle darauf zurück. Auch für Beschwerden wie Herzrasen oder Rhythmusstörungen existieren derzeit nur symptomatische Therapien. Das könnte sich bald ändern. Denn es gibt bereits einen Wirkstoff, der das von Prof. Molina entdeckte Enzym PDE8B hemmt und derzeit in einer klinischen Studie zur Demenz überprüft wird. „In ersten Labortests an menschlichen Herzmuskelzellen konnten wir beobachten, dass dieser Hemmstoff die Kalziumströme normalisiert.“ In zwei bis drei Jahren soll die Wirkweise im Rahmen einer klinischen Studie überprüft werden.

Bis dahin hat sich Prof. Molina viel vorgenommen. Im UKE will sie unter anderem bestehende Kooperationen wie die mit Forschenden aus dem Universitären Herz- und Gefäßzentrum des UKE weiter ausbauen und ihr eigenes Team Stück für Stück verstärken. Ihre Heisenberg-Professur sieht sie hier als große Chance. „Die neu gewonnene Planungssicherheit ermöglicht es mir, auch langfristig angelegte Projekte sowohl innerhalb des UKE als auch auf internationaler Ebene anzustoßen und umzusetzen.“ Privat freut sie sich darauf, bald wieder den Hamburger Sommer zu genießen. Egal ob zu Salsa-Rhythmen oder Rap-Beats – Hauptsache, der Takt stimmt.


Text: Nicole Sénégas-Wulf, Fotos: Eva Hecht