Frischer Wind aus Boston

Im Januar 2022 zog Dr. Manu Beerens von Boston in den USA nach Hamburg an die Elbe. Mit seinem Team am UKE, das zum Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin gehört, untersucht er Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf molekularer und physiologischer Ebene. Auch Hamburg hat der gebürtige Belgier bereits erkundet – Stadionbesuche inklusive. Sein neuer Lieblingsverein? Der FC St. Pauli.

Dr. Manu Beerens
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Dr. Beerens will die kardiovaskuläre Forschung voranbringen

Manu Beerens ist gern unterwegs. Gerade hat er mit seinem neuen Rennrad die Hügel der Toskana erobert. Zwischen Siena und Florenz legte er in einer Woche etliche Höhenmeter zurück, durchquerte Wälder und Weingärten, fuhr über die staubig-holprigen Straßen der „Strade Bianche“ und genoss die von Zypressen gesäumten Alleen. „Ich liebe Sport und bin gern in der Natur“, sagt er. Das sei früher schon so gewesen. An Dingen wie Playstation und Computerspielen habe er nie großes Interesse gehabt. Viel lieber sei er durch die Gegend gestreift oder habe sich mit Freunden zum Fußball kicken getroffen. Elf Jahre lang spielt der Linksfüßler im Verein auf verschiedenen Positionen. In der Schule zählen Naturwissenschaften zu seinen Lieblingsfächern. „Egal ob Biologie, Chemie, Physik oder Mathematik – ich habe alles aufgesogen“, erinnert sich der heute 37-Jährige. Nach dem Abitur studiert er Biogenetic Engineering in Antwerpen und Leuven, „weil es alle Elemente miteinander verknüpft“, so Dr. Beerens.

Seinen Ph.D. absolviert er am Universitätsklinikum in Leuven und entdeckt hier seine Leidenschaft für wissenschaftliches Arbeiten in einem medizinischen Umfeld sowie die Möglichkeit, die in den letzten Jahren erlernten Techniken zur Lösung praktischer Fragen anzuwenden. „Ich finde es großartig, zu experimentieren und dabei auf Neues zu stoßen. Vor allem aber motiviert mich der Gedanke, dass unsere Ideen irgendwann in der medizinischen Versorgung ankommen und Menschen – selbst, wenn es nur einer ist – damit konkret geholfen werden könnte.“

Dr. Beerens ist auf das kardiovaskuläre System spezialisiert und verwendet dabei sowohl Tiermodelle als auch menschliche Zellen. Nach dem Studium geht er in die USA ans Brigham and Women’s Hospital – zunächst für dreieinhalb Jahre als Postdoc, dann für weitere fünf als Lehrkraft für Medizin an die Harvard Medical School. In den USA forscht er intensiv an einem Protein namens Prdm16, das im Verdacht steht, für angeborene Herzschwäche (Kardiomyopathie) verantwortlich zu sein. „Wir stellten die Hypothese auf, dass eine Veränderung in diesem Gen nicht nur zu Herz-, sondern auch zu Gefäßerkrankungen führt“, erklärt der Wissenschaftler.

Um die Erkrankungsmechanismen besser nachzuvollziehen, kommt ihm in Boston ein besonderes Tier zu Hilfe: der Zebrafisch. „Da sein kardiovaskuläres System und Erbgut ähnlich wie beim Menschen aufgebaut sind, ist er als Modell besonders gut geeignet, um die Ausbildung von Herz- und Gefäßsystem sowie -erkrankungen zu untersuchen“, so Dr. Beerens. Darüber hinaus seien die Fische in den ersten Tagen durchsichtig, sodass sich ihre Entwicklung mittels hochauflösender Bildgebung sehr gut in Echtzeit beobachten lässt. „Unser Ziel ist es, langfristig Medikamente zu finden, um Krankheiten, die durch diesen Gendefekt ausgelöst werden, ausschalten zu können.“

Daran arbeitet Dr. Beerens auch mit seinem Team Endothelzellbiologie im UKE – bisher ohne Zebrafische, doch würde er diese Forschungsmethode auch hier gern etablieren. „Ich bin überzeugt, dass sie eine echte Chance darstellen, nicht nur die kardiovaskuläre Forschung entscheidend voranzubringen“, sagt der Juniorgruppenleiter. Darüber hinaus hat sein Labor zahlreiche andere arterien- und venenspezifische Proteine mit noch unbekannten vaskulären Funktionen entdeckt. Ihre Rolle bei der Gefäßentwicklung und -erkrankung, insbesondere bei arterieller und venöser Thrombose, wollen die Wissenschaftler:innen entschlüsseln, um neue Angriffspunkte für Medikamente zu identifizieren und Therapien zu entwickeln.

Und wie ist Manu Beerens abseits der Arbeit in Hamburg angekommen? „Ich bin noch immer dabei“, lacht er. Vor allem die Sprache sei anfangs eine Barriere gewesen. Doch langsam verstehe er besser Deutsch, was das Knüpfen neuer Kontakte deutlich erleichtere. Die neue Stadt gefällt ihm – mit ihren vielen Parks, Kanälen und Cafés. Auch mit manch Hamburger Besonderheit ist er bereits bestens vertraut, wie etwa der Rivalität zwischen den Fußballclubs HSV und FC St. Pauli. „Ja, das habe ich schnell herausbekommen und mich für den Underdog vom Millerntor entschieden“, schmunzelt er. Schon drei Mal war er beim Anfeuern der Braun-Weißen live dabei.

Wenn er nicht mit Kollegen oder Freunden unterwegs ist, zieht er auch gern mal durch Hamburgs einschlägige Plattenläden und stöbert stundenlang durch alte und neue Alben. „Ich sammle alles von Jazz über Blues bis Electro und Techno“, verrät er. So Hightech-basiert sein berufliches Umfeld auch sein mag, geht für ihn in der Musik nichts über das leise Knistern einer guten Vinyl. Hören tut Manu am liebsten analog.




Text: Nicole Sénégas-Wulf, Fotos: Eva Hecht