Vorlesungen ohne Hörsaal

Die Corona-Pandemie hat in den Kliniken nicht nur die Alltagsabläufe, die Hygienemaßnahmen und die Formen der Zusammenarbeit stark verändert. Digitale Formen des Austauschs dominieren seit dem vergangenen Sommersemester auch das Medizinstudium. Zwei Lehrende berichten, wie sie die Herausforderungen durch die fehlenden Präsenzveranstaltungen bisher gemeistert haben.

Dr. Booken am Rechner
Lupe zum Vergrößern des Bildes
Die Oberärztin spricht Vorlesungen am Rechner ein
Untersuchung Derma gefilmt
Lupe zum Vergrößern des Bildes
Bilder einer Ultraschalluntersuchung für die digitale Vorlesung

„Hauterkrankungen diagnostizieren wir vor allem dadurch, dass wir betroffene Stellen anschauen.“ Priv.-Doz. Dr. Nina Booken, Oberärztin in der Klinik für Dermatologie und Venerologie, legt in ihren Lehrveranstaltungen viel Wert auf die Differentialdiagnostik bei dermatologischen Krankheitsbildern. „Die Dermatologie ist ein visuelles Fach“, betont sie. „Für uns ist es sehr wichtig, betroffene Hautpartien im Detail zu betrachten, um Hautveränderungen richtig einschätzen zu können.“

Erkrankungen mit eigenen Augen zu diagnostizieren, Patient:innen wirklich zu untersuchen – all das ist seit etwa einem Jahr für die Studierenden kaum möglich. Wie alle Dozierenden der Medizinischen Fakultät in Hamburg haben Dr. Booken und die weiteren Lehrenden aus der Dermatologie ihre Vorlesungen mit im Hintergrund zu sehenden Präsentationsunterlagen eingesprochen. Über das bereits zuvor aufgebaute iMed-Portal können sich die Studierenden die Vorlesungsdateien abrufen und digital lernen. „Im Sommersemester 2020 haben die Studierenden auch ihre eigenen Referate auf diesem Weg erstellt, das war für viele gar nicht so einfach“, berichtet Dr. Booken weiter. „Auch für uns Lehrende war es seltsam, unsere Vorlesungen allein vor unserem Computer ins Präsentationsprogramm zu sprechen – ohne Rückmeldung aus dem Auditorium, ohne ein Nicken oder irgendeine Reaktion auf die Inhalte.“ Inzwischen hält die Dermatologin einige Veranstaltungen über ein Videokonferenz-Tool live, auch für die Referate habe sich dies als bessere Möglichkeit herausgestellt. „Es gibt einfach mehr Feedback.“

So gut es ging, stellten Dr. Booken und ihr Team den Studierenden auf vielfältige Weise aufbereitete Lehrinhalte bereit: Eine ihrer Kolleginnen drehte gemeinsam mit einer Freundin ein Video, um möglichst realitätsnah die Diagnose von Gefäßerkrankungen zu verdeutlichen. Eine andere nahm gemeinsam mit ihrer Mutter, einer niedergelassenen Dermatologin, im Garten einen Podcast auf und diskutierte die Unterschiede im diagnostischen und therapeutischen Umgang mit Handekzemen. „Gerade der Podcast hat unseren Studierenden sehr gefallen – ich glaube, nicht zuletzt durch die zwitschernden Vögel, die im Hintergrund zu hören waren“, erzählt Dr. Booken. „Die Studierenden waren einfach sehr dankbar über jede Abwechslung in der Form der Darstellung!“

Bewusst Pausen in die digitale Präsentation eingebaut

Abwechslung in die immer gleiche Form digitalen Unterrichts brachten auch Prof. Dr. Sven Anders und sein Team aus der Rechtsmedizin. „Wir haben bewusst Pausen in unsere digitalen Präsentationen eingebaut und den Studierenden Aufgaben mitgegeben, die sie währenddessen erledigen sollten – etwa, eine Todesbescheinigung korrekt auszufüllen. Das Formular haben wir zusätzlich aufs iMed-Portal hochgeladen.“ Die Studierenden zu aktivieren, Übungen auszuführen, sei bei diesen gut angekommen.

Neben den vertonten Präsentationen sowie den benötigten Formularen stellten die Rechtsmediziner:innen den Studierenden weitere Publikationen und Materialien zur Verfügung. „Technisch war die Möglichkeit im bisherigen Stundenplan-Verwaltungssystem bereits angelegt – vor Corona wurde sie aber nicht genutzt“, so Prof. Anders. Während der vergangenen Distanzsemester konnten die Studierenden zudem mithilfe eines Onlineportals lernen, auf welche Weise Verletzungen bei Gewaltopfern dokumentiert werden sollten. „Auch ohne Pandemie arbeiten wir in der Rechtsmedizin im Unterricht häufig mit Fallbeispielen, um die realen Gewaltbetroffenen zu schützen“, erläutert Prof. Anders.

Ein rechtsmedizinisches Spiel, das bereits vor einigen Jahren auf der Hamburg Open Online University (HOOU) bereitgestellt wurde, um dort gemeinsam mit anderen Inhalten das Erstellen digitaler wissenschaftlicher Lernangebote zu fördern, habe bei den Studierenden Detektivgeist geweckt. Und zukünftig? „Zurzeit arbeiten wir an einem fünften Fall für das rechtsmedizinische Onlinespiel“, so Prof. Anders. „Ich kann mir vorstellen, dass wir das Portal nach der Pandemie weiter dazu benutzen, Zusatzmaterialien hochzuladen – etwa Texte zur Vorbereitung der Kurse oder vertiefende Artikel für Interessierte.“

Text: Katja Strube, Fotos: Axel Kirchhof (Stand: 6. April 2021)